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Nord Stream

Veröffentlicht am in Kategorie Politik & Gesellschaft

Nord Stream ist ein System von Unterwasser-Gasleitungen, die von Russland nach Deutschland verlaufen. Die ersten beiden Stränge der Pipeline Nord Stream 1 wurden im November 2011 eingeweiht und verlaufen von Wyborg nach Lubmin bei Greifswald. Das zeitlich darauf folgende, ähnliche Projekt Nord Stream 2 besteht ebenfalls aus zwei Röhren und läuft geografisch etwa parallel. Die Verlegearbeiten des ersten Stranges wurden am 4. Juni 2021 abgeschlossen, die des zweiten Stranges am 6. September 2021. Nord Stream 1 und 2 haben jeweils eine nominelle Transportkapazität von 55 Mrd. Nm³ pro Jahr und entsprechend etwa 550 TWh/a oder 63 GW Heizwert Dauerleistung. Eigentümer und Betreiber der Nord Stream 1 ist die Nord Stream AG, deren Anteile von Gazprom (51 %), Wintershall, E.ON, Gasunie und Engie gehalten werden. Eigentümer der Nord Stream 2 ist die Nord Stream 2 AG, die vollständig zum mehrheitlich staatlichen russischen Gazprom-Konzern gehört.

PRO
Deutschland sichert sich dank der Ostsee-Pipeline einen vertraglichen Zugang zu russischen Gasvorkommen und somit mehrere strategische Vorteile. Es entfallen Transitländer und die mit ihnen verbundenen potenziellen politischen Spannungen, die sich negativ auf Lieferungen nach Deutschland auswirken könnten. Somit ist sowohl der Lieferant als auch der Konsument künftig von Schwierigkeiten durch Transitländer unabhängig, beispielsweise wenn diese Preisangleichungen an das europäische Niveau nicht akzeptieren wollen. Bisher konnten Transitländer das Passieren ihres Territoriums als Druckmittel nutzen, um exklusive Lieferbedingungen für sich selbst durchzusetzen, und so die Versorgungssicherheit Westeuropas gefährden.

CONTRA
Kritiker bemängeln, dass die Erdgasversorgung mit der Pipeline noch stärker an den bisherigen Hauptlieferanten Russland gebunden wird. Diese Abhängigkeit berge nicht nur die Gefahr einer für die Volkswirtschaft schädlichen Preissteigerung aufgrund einer russischen Monopolstellung, sondern auch politische Risiken.

WIRTSCHAFTLICHE ASPEKTE – NORD STREAM 1
Kritiker wiesen auf die vermeintliche wirtschaftliche Irrationalität dieses Projektes hin, da die Baukosten auf dem Meeresgrund eineinhalb-mal höher sind als durch die Länder. Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsbeiträge untersuchten die Veränderungen in der Richtung des Gastransports und kamen zu dem Ergebnis, dass die Pipeline zulasten des Transits über osteuropäische EU-Länder und die Ukraine geht. Dagegen steht, dass Russland und Deutschland durch die Ostsee-Pipeline Transitgebühren sparen, die sonst den Transitländern zufließen würden. Projektleiter Georg Nowack wies ergänzend darauf hin, dass die Nord-Stream-Pipeline mit mehr als 200 bar Druck betrieben werden kann, während der Betrieb von Landleitungen aus Sicherheitsgründen auf 100 bar beschränkt ist. Der Betrieb auf See erlaubt somit einen deutlich höheren Durchsatz gegenüber einem Landbetrieb.

WIRTSCHAFTLICHE ASPEKTE – NORD STREAM 2
In einer Studie vom Juli 2018 kam das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zu dem Ergebnis, dass die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zur Sicherung der Erdgasversorgung in Deutschland und Europa unnötig und wirtschaftlich unrentabel sei. Zum einen sei der Verbrauch und die Nachfrage nach Erdgas seit Jahren rückgängig. Auch für die Zukunft gingen energiewirtschaftliche Prognosen davon aus, dass die Erdgasnachfrage in Deutschland und Europa weiter sinken werde. Fossiles Erdgas sei kurzfristig der kostengünstigeren Kohle und langfristig den erneuerbaren Energien mit weiterentwickelten Speichertechnologien unterlegen. Wenn die von der Bundesregierung festgelegten Klimaschutzziele erreicht würden, sänke der Erdgasbedarf zwischen 2008 und 2050 um fast 73 %. Zum anderen stünden auf der Angebotsseite eine Vielzahl von Lieferländern und ein gut ausgebautes innereuropäisches Netzwerk von Pipelines zur Verfügung. Die Erdgasversorgung sei so diversifiziert, dass das bestehende Versorgungssystem ohne Nord Stream 2 krisenfest sei und sogar ein vollständiger Wegfall russischer Erdgaslieferungen in Deutschland und in Europa durch andere Bezugsquellen und mehr Effizienz kompensiert werden könne. Hinzu käme, dass nur etwa ein Viertel der bestehenden Importkapazitäten für Flüssigerdgas (LNG) genutzt werde und bei Bedarf das Angebot durch LNG-Einfuhr weiter gesteigert werden könne. Ein Indiz für die fehlende Wirtschaftlichkeit des Pipelineprojekts seien die hohen Durchschnittskosten für den Transport des Erdgases, die sich bei der Nord Stream 2 auf etwa 25 % des Erdgaspreises belaufen und auf dem europäischen Erdgasmarkt kaum durchsetzbar seien. Darüber hinaus müssten wegen der Nord Stream 2 zusätzliche Leitungen wie etwa die Anbindungsleitung EUGAL gebaut werden, deren Kosten in Deutschland pauschal auf die Erdgasverbraucher umgelegt würden. Die Kosten dieser zusätzlichen Leitungen werden auf 500 Millionen Euro geschätzt und müssten von Verbrauchern in Deutschland mitgetragen werden. Norwegische Ökonomen zeigten in einer Studie aus dem Jahr 2017, dass der Absatz russischen Erdgases in die EU durch den Bau der Pipeline nur geringfügig gesteigert würde. Zwar würde Deutschland mehr Erdgas aus Russland beziehen, gleichzeitig würde der Export nach Mitteleuropa über die Ukraine sinken. Die Forscher schätzen das Projekt als insgesamt unrentabel ein, weil den geringen zusätzlichen Erlösen sehr hohe Baukosten gegenüberstehen würden.

Quelle bzw. weiterführende Information
-> FAZ-ARTIKEL (10.09.2021)
-> https://de.wikipedia.org/wiki/Nord_Stream


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